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Wissenschaftssprache Deutsch: lesen − verstehen − schreiben

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Ein Lehr- und Arbeitsbuch   von Gabriele Graefen und Melanie Moll

Aufgaben: [ 8.2.5 | 8.2.6 | 8.3.3 | 8.3.5 | 8.3.6 | 8.4.3 | 8.4.6 A1 | 8.4.6 A2 | 8.4.7 | 8.4.8 | 8.5.1 | 8.6.1 | 8.6.2 | 8.6.3 ]

Wissenschaftssprache Deutsch:
lesen – verstehen – schreiben

Ein Lehr- und Arbeitsbuch

Gabriele Graefen / Melanie Moll

Aufgaben mit Lösungen


8 Lexik und Stil

8.3 Zitat, Wiedergabe und Paraphrase

8.3.3 Übung zur Textanalyse:
Bewertung durch die Einleitung der Redewiedergabe


Aufgabe: Überlegen Sie an dem Textbeispiel des Soziologen Ulrich Beck, wie die verschiedenen Arten der Einleitung der Redewiedergabe (unter dem Text) die Aufnahme des Primärtexts durch den Leser beeinflussen.

Primärtext:

Die global agierende Wirtschaft untergräbt die Grundlagen der Nationalökonomie und der Nationalstaaten. Dadurch wird eine Subpolitisierung völlig neuen Ausmaßes und mit unabsehbaren Folgen ausgelöst. Es geht [für das Kapital] darum, in einer neuen Runde den alten Widersacher „Arbeit“ elegant auf das historische Abstellgleis zu schieben; aber auch und vor allem darum, dem „ideellen Gesamtkapitalisten“, wie Marx den Staat nannte, gleichsam zu kündigen; also sich aus den Klammern von Arbeit und Staat, wie sie im 19. und 20. Jahrhundert entstanden sind, zu befreien.

(aus: Beck 1998, S. 14)

Wiedergabemöglichkeiten (Beispiele):

A) Beck (1998, S. 14) vertritt die These, dass die Globalisierung die Grundlagen der Staaten zerstört.

neutral-zurückhaltende Wiedergabe, der Wahrheitsanspruch des Autors wird niedrig angesetzt;

B) Beck (1998, S. 14) behauptet, die Globalisierung der Wirtschaft laufe letztlich auf eine ‚Kündigung‘ gegenüber dem bisherigen Nationalstaat hinaus.

kritisch-distanzierte Wiedergabe, impliziter Widerspruch zu Beck

C) Angesichts der heutigen Folgen der Globalisierung wagt Beck die Prognose eines Zerfalls der Nationalstaaten (Beck 1998, S. 14).

vorsichtig-zustimmende Wiedergabe. Die Möglichkeit einer klaren Erkenntnis zu dem Thema wird als relativ gering eingeschätzt (nur Prognose).

D) Beck (1998) ist einer der wenigen, die erkannt haben, dass die Globalisierung langfristig sehr schädliche Auswirkungen haben wird.

zustimmende, sogar lobende Wiedergabe; der Sekundärautor fühlt sich durch Beck bestätigt und lobt sich indirekt selbst.

E) Im Hinblick auf die Risiken der Globalisierung geht Beck so weit, einen Zerfall der Nationalstaaten vorauszusagen (Beck 1998, S. 14).

Der Sekundärautor tendiert zwar zu der Position von Beck, aber er findet dessen Aussage zu stark, zu sicher; implizit spricht er sich für eine vorsichtigere Behandlung des Themas aus.

F) U. Beck analysiert präzise, wie die „global agierende Wirtschaft … die Grundlagen der Nationalökonomie und der Nationalstaaten (untergräbt)“ (1998, S. 14), mit „unabsehbaren Folgen“ sowohl für die Staaten als auch für nationale Arbeiterschaften.

Der Sekundärautor stimmt inhaltlich und im Wahrheitsanspruch mit Beck überein und lobt dessen Arbeit als wertvollen Beitrag zu einer gemeinsamen sozialwissenschaftlichen Position.

G) Ulrich Beck ist ein Befürworter der pessimistischen Sichtweise der Globalisierung, die angeblich die nationalen Grundlagen zerstört (vgl. Beck 1998).

Mit dem Ausdruck „Sichtweise“ distanziert sich der Sekundärautor von Beck, mit dem Adjektiv „pessimistisch“ qualifiziert er dessen Position als weniger wissenschaftlich, eher weltanschaulich begründet; mit dem Wort „angeblich“ nimmt er eine kritisch-vorwurfsvolle Haltung ein: der Verdacht, dass falsche Darstellungen verbreitet werden, steht im Raum.

 ©   G. Graefen / M. Moll, München, 2011