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Wissenschaftssprache Deutsch: lesen − verstehen − schreiben

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Ein Lehr- und Arbeitsbuch   von Gabriele Graefen und Melanie Moll

Aufgaben: [ 1.2 | 1.3 ]

Wissenschaftssprache Deutsch:
lesen – verstehen – schreiben

Ein Lehr- und Arbeitsbuch

Gabriele Graefen / Melanie Moll

Aufgaben mit Lösungen


1 Alltägliche Wissenschaftssprache

1.2 Typische idiomatische Fügungen der Wissenschaftssprache


Aufgabe: Lesen Sie den Textausschnitt. Markieren Sie die Fügungen, die Ihrer Meinung nach in allen Fächern verwendet werden können. Vergleichen Sie dann mit der Tabellendarstellung weiter unten.

Die Aspekte, unter denen das Thema ‚Latein und Deutsch‘ in den vorangegangenen drei Kapiteln betrachtet wurde, dienten dem Zweck, die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehende These historisch zu verankern und zu belegen. Mit jedem der gewählten Zugänge – dem sozialgeschichtlichen, wissenschaftsgeschichtlichen und sprachgeschichtlichen – konnte die These erhärtet werden: Der innerhalb der Universität an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert einsetzende Sprachenwechsel, die Ablösung des Gelehrtenlateins durch die Volkssprache, stellt kein isoliertes, auf rein Sprachliches zu reduzierendes Phänomen dar, sondern ist verknüpft mit einem gesellschaftlichen Funktionswandel der Institution ‚Universität‘ selbst und mit einem Denkstilwandel der in ihr betriebenen Wissenschaft. Auch der folgende Exkurs „Die europäischen Universitäten zwischen Latein und Volkssprache“ wird diese These noch einmal stützen. Engt man die Perspektive auf die Merkmale ‚Sprachenwahl‘, ‚gesellschaftliche Funktion‘ und ‚wissenschaftlicher Denkstil‘ ein, dann lassen sich vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen zwei unterschiedliche Typen von Universität charakterisieren: die mittelalterliche Universität, deren Existenzform sich gegen Ende des 17. Jahrhundert aufzulösen beginnt und im Laufe des 18. Jahrhunderts durch den zweiten Typus, die neuzeitliche Universität, ersetzt wird. Die Tabelle 2 [folgende Seite] stellt die Kennzeichen beider Typen, wie sie in den vorangegangenen beiden Kapiteln deskriptiv und argumentativ erarbeitet worden sind, noch einmal in übersichtlicher Form gegenüber. Selbstverständlich handelt es sich bei einer solchen Gegenüberstellung um eine zugespitzte Typisierung. Für einzelne Merkmale, die der neuzeitlichen Universität beigelegt werden, wie zum Beispiel eine stärker praxisorientierte und berufsbezogene Ausrichtung der Wissenschaften, gab es schon im 16. und 17. Jahrhundert fruchtbringende Ansätze. Umgekehrt bewahrt die Universität bis heute in Teilen der akademischen Selbstverwaltung und der akademischen Prüfungen (Magister, Promotion, Habilitation) eine gewisse Autonomie, in der noch Relikte mittelalterlicher Traditionen greifbar sind. Dennoch hat sich gerade an der Geschichte der Universität Halle und an der Person Christian Thomasius’ gezeigt, daß der Wandel von der mittelalterlichen zur neuzeitlichen Universität in der hier typisierten Weise nicht nur im historischen Rückblick konkret zu (re)konstruieren ist, sondern von den Zeitgenossen auch als ein solcher empfunden und von den Beteiligten intendiert wurde.

Fn 1: Ausdrücklich betont werden soll, daß für eine bis in die Gegenwart reichende Charakterisierung der Universitätsgeschichte die neuzeitliche Universität noch genauer differenziert werden müßte. So wäre der Typus Halle und Göttingen, der hier für den Umriß der neuzeitlichen Universität vor allem herangezogen wurde, von dem im 19. Jahrhundert entwickelten Typus Berlin zu unterscheiden. Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts hat sich dann noch ein weiterer Typus herausgebildet, die Universität als Großbetrieb. Da die hier vorgeschlagene Charakterisierung der neuzeitlichen Universität aber grundlegend für alle drei soeben genannten Typen ist und zudem unser Untersuchungszeitraum die beiden letzten Typen (Typus Berlin, Typus Universität als Großbetrieb) nicht mehr umfaßt, wird auf eine Ausführung und Berücksichtigung dieser Differenzierung verzichtet.

(Auszug aus: Jürgen Schiewe 1996)

 ©   G. Graefen / M. Moll, München, 2011